Friedhof des Lagers

Durch die ungesunden Lebensbedingungen im Lager kam es zu Ausbrüchen von Krankheiten (u.a. Cholera, Tuberkolose, Ruhr, Typhus); und auch durch verschleppte Kriegsverletzungen kamen immer wieder Gefangene zu Tode. Vor allem der erste Winter 1914/15 war sehr hart für die Gefangenen, die zu dieser Zeit noch in Zelten lebten, die keinen festen Boden hatten und nur schlecht heizbar waren. So musste schon bald nördlich des Lagers auf einer eiszeitlichen Sanddüne ein eigener Friedhof eingerichtet werden, auf dem Soldaten christlichen und russisch-orthodoxen Glaubens begraben wurden. Zu dieser Zeit war es per Gesetz nicht erlaubt ausländische Gefangene auf deutschen Friedhöfen zu beerdigen. Schon Ende 1915 lagen auf diesem Friedhof etwa 472 Tote. Darunter auch etliche zivile Internierte in fortgeschrittenem Alter. Tote Soldaten jüdischen Glaubens wurden auf dem israelitischen Friedhof in der NEUKRUGER STRASSE beigesetzt. Besonders geschwächt und mangelhaft ernährt waren die russischen Soldaten; während die Gefangenen aus Belgien, Frankreich und England per Post Pakete aus der Heimat erhielten und auch Unterstützung durch Niederlassungen des Roten Kreuzes ihrer Länder im Lager erfuhren, bekamen die russischen Soldaten keine zusätzlichen Nahrungsmittel aus der Heimat und waren auf die dürftigen Rationen angewiesen. Der heute am alten Lagerfriedhof aufgestellte Gedenkstein gibt die Zahl der dort Begrabenen wie folgt an: 573 Russen, 150 Franzosen, 42 Italiener, 20 Belgier, 64 Rumänen, 5 Polen und 80 Deutsche. Warum hier auch deutsche Tote begraben liegen sollen ist unklar. Die 69 Verstorbenen aus der Zeit des Heimkehrerlagers nach dem Krieg wurden auf dem städtischen Friedhof in Güstrow bestattet. 59 britische Tote wurden um 1920 in eine Kriegsgräberstätte auf den Friedhof Hamburg-Ohlsdorf umgebettet. Es existiert eine Postkarte des Friedhofs, die im Text die Zahl von 1760 dort bestatteten Toten angibt; genaue Recherchen dazu laufen.

 Liste der ursprünglich auf dem Friedhof bestatteten Toten


Auf Initiative der Gefangenen hin wurde auf dem Friedhof ein Totenmal errichtet. Dafür wurde ein Denkmalausschuss unter den Gefangenen begründet, der für die Sammlung der nötigen Mittel und die Organisation von Entwurf und Realisierung verantwortlich war. Die praktische Ausführung lag in den Händen einer belgisch-französischen Arbeitsgruppe. Dazu gehörten die Bildhauer Alfred Edouard Delannes, Henri Schouteten und Gérard Jean Camerlinck sowie der Architekt G. Etienne und der Werkzeugmeister R. Défrémont. Zunächst entstand ein kleineres Tonmodell des geplanten Monuments. Später wurden dann ebenfalls in Ton Modelle der Figuren gefertigt, diesmal in der angedachten Originalgrösse. Nach diesen Modellen (oder den evtl. danach erstellten Gipsabgüssen) wurden die endgültigen Figuren aus sogenanntem Bremer Sandstein gefertigt. Das Denkmal wurde in der Mitte des Friedhofs errichtet. Ob hierbei auch ein lokaler Steinmetz eingebunden war oder ob man sich die nötige technische Ausrüstung für das Lager beschafft hatte, ist bisher unbekannt. Kernstück des Denkmals ist ein zweistufiger, rechteckiger Unterbau, auf dem ein Quader mit einem obelisken Aufsatz steht. Daran angelehnt die zwei Figuren: ein nackter geflügelter Krieger und eine knieende trauernde Frau, leicht mit einem Tuch verhüllt. Der Krieger hielt in seiner linken Hand ein abgebrochenes Schwert und hinter seinen Beinen lehnte ein Schild mit einem Blitz am Denkmalsockel. Zudem gab es eine kleine Marmortafel am Sockel, die vermutlich Informationen über die Entstehung wiedergab. Vermutlich war eigentlich eine grössere Inschrift auf dem Obelisken geplant. Offensichtlich gelang es dem Ausschuss hier nicht, eine für alle Nationalitäten und Glaubensrichtungen passende Variante zu finden. So blieb es zunächst bei einem schlichten 1914 - für den Beginn des Krieges, das Ende war zum Zeitpunkt der Entstehung ja noch nicht absehbar. Das Denkmal wurde am 21.04.1918 in Anwesenheit der deutschen Offiziere der Lagerverwaltung und von Abordnungen der im Lager festgehaltenen Nationen eingeweiht. Um 11 Uhr morgens begann die Zeremonie, begleitet von der Musik des Lagerorchesters unter der Leitung von Gaston Hamelin und anderen. Das Programm ist überliefert. Neben der Musik gab es eine längere Ansprache des Vorsitzenden des Denkmalausschusses Adjudant Georges Vianay. Zudem wurde ein Gedicht von Victor Hugo verlesen und ein Gebet für die Verstorbenen gesprochen. Der Lagerkommandant Julius von Matheson übernahm anschliessend das Denkmal in seine Obhut und versprach, es dauerhaft zu erhalten und es nach Auflösung des Lagers in die Obhut der Garnison zu übergeben. Dann legte er den ersten Kranz nieder, dem Weitere sowie ein Vorbeimarsch der salutierenden Anwesenden folgte.

Anfertigung und Einweihung des Totenmals auf dem Friedhof:


russische Soldaten auf dem jüdischen Friedhof:


Weiter: Die Geiseln aus der Stadt Roubaix