Die polnische Einheit

Ein weiteres, weitgehend unbekanntes Kapitel aus der Geschichte des Güstrower Gefangenenlagers ist die Anwesenheit einer grösseren Zahl polnischer Soldaten im Lager. Zumindest die Offiziere wurden zum Teil mit ihren Frauen und Kindern im Lager festgehalten. Auch die komplette Regiments-Kapelle war dort untergebracht.

Da konkrete Informationen und genaue Daten fehlen gibt es derzeit nur Vermutungen über den geschichtlichen Hintergrund. Ursprünglich bildete die Polnische Legion eine unabhängige Formation in der österreichischen k.u.k. Armee und kämpfte im Osten gegen das zaristische Russland. Anfang 1917 gehörten zu diesen Legionen etwa 21.000 Männer, von denen aber nur etwa 12.600 aktiv im Krieg kämpften. Im Juli 1917 stellten sich die meisten Angehörigen der Legionen aufgrund der geänderten Kriegsverhältnisse gegen die Übernahme in eine von der deutschen Heeresleitung zu führende polnische Armee und verweigerten den Treueeid auf den deutschen Kaiser ( Eidkrise). In der Folge wurden etwa 3.000 Soldaten aus Kongresspolen (dem russischen Teil Polens) in den späteren Kriegsgefangenenlagern in Szczypiornie (bei Kalisz) und Beniaminowie bei Nieporęt (Masowien) interniert und kamen erst im August 1918 frei. 3.300 galizische (habsburgische) Legionäre wurden wegen der Eidverweigerung in die österreichisch-ungarische Armee überführt und kamen an die italienische Front. Weitere 1.100 legten den Eid ab und wurden als polnische Wehrmacht aufgestellt. Möglicherweise kamen auch die etwa 200 bis 300 Personen, die im Güstrower Lager zumindest zeitweise festgehalten wurden, aus dem Personenkreis der Eidverweigerer. Untergebracht wurden sie in den Spitzbaracken aus der Anfangszeit des Lagers. Die Quellen zu dem Thema sprechen lediglich von der Internierung der beiden führenden Köpfe u.a. in Magdeburg, es ist also derzeit ungeklärt wie und warum diese polnische Einheit ins Güstrower Lager kam. 


Quelle für zusätzliche Fakten: Julia Eichenberg, Kämpfen für Frieden und Fürsorge, 2011, S.29 ff.


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