Die Gefangenen der S.M.S. Wolf

1918 - Hilfskreuzer Wolf

Nur selten können wir die Gefangenen im Lager einem genauen Ereignis, einer Offensive oder einem bestimmten Gefecht im Verlauf des 1. Weltkrieges zuordnen. Bei der auf dieser Seite zusammengefassten kleinen Serie von Fotografien ist das anders. Die Bilder zeigen Personen, die während der berühmt-berüchtigten Kaperfahrt der S.M.S. Wolf in deutsche Gefangenschaft gerieten und so in die deutschen Gefangenenlager kamen. Das S.M.S. Wolf war als normales Handelsschiff unter dem Namen Wachtenfels 1913 in Flensburg gebaut worden. 1916 wurde es eingezogen und zum Hilfskreuzer umgebaut. Ausgerüstet mit sieben 15 cm Geschützen, 4 Torpedorohren und 465 Seeminen lief das Schiff im November 1916 mit 348 Mann an Bord zu einer Mission in den Pazifik aus. Erst im Februar 1918 kehrte das Schiff nach 444 Tagen auf See und etwa 64.000 zurückgelegten Seemeilen nach Kiel zurück. Unter dem Kommando von Korvettenkapitän Karl-August Nerger (geb. 1875 in Rostock) gelang es dem Schiff unbemerkt von der britischen Marine durch den Skagerrak nordwärts um Island herum, dann südwärts durch die Mitte des Atlantik bis hinunter nach Kapstadt zu fahren. Hier wurden erste Minen gelegt. Die Reise führte weiter hinein in den indischen Ozean vorbei an Colombo bis nach Bombay und später bis Australien und Neuseeland. Um der Verfolgung zu entgehen, durfte das Schiff nicht auffallen und konnte in keinem Hafen zur Versorgung anlegen. Daher wurden Lebensmittel, Kohle und sonstige Versorgungsgüter nur von den aufgebrachten Schiffen requiriert. Nachdem man alles brauchbare Gut dieser Schiffe übernommen hatte, versenkte man sie anschließend. Die Besatzung und Passagiere dieser Schiffe verblieben als Gefangene an Bord der S.M.S. Wolf. So hatte der Hilfskreuzer bei seiner Heimkehr 467 Kriegsgefangene von 14 gekaperten Schiffen an Bord.

1918 - Kiel - SMS Wolf Ankunft

zeitgenössische Fotopostkarte von der Ankunft des Schiffes

Ein Großteil dieser Gefangenen gelangte offenbar zuert in das Lager in Güstrow-Bockhorst, ein kleinerer Teil wurde im Lager Parchim untergebracht. Neben Briten und Australiern kamen so auch Neuseeländer, Japaner, Spanier, Portugiesen u.a. ins Lager. Mehrere Aufnahmen zeigen die Ankunft dieser für damalige Verhältnisse exotischen Nationalitäten. Nur wenige dieser Gefangenen blieben bis Kriegsende im Güstrower Lager. Die meisten wurde später ins Lager Holzminden und schließlich nach Ruhleben verlegt.



Diese Fotografien wurde offenbar in Deutschland für Presseveröffentlichungen genutzt; hier zwei Beispiele aus einer unbekannten Zeitschrift

1918 - Zeitungsauschnitte Gefangene der Wolf

Quelle: deutsche-digitale-bibliothek.de - Internationales Maritimes Museum Hamburg, Inventar-Nr. D_48_11 - creative commons


Im Gegensatz zu vielen anderen Aufnahmen aus dem Lager können wir die Fotografien von der Ankunft dieser Gefangenen und der Gepäckdurchsuchung relativ genau auf den 3. März 1918 datieren. Grundlage ist der Augenzeugenbericht von Keith Harris. Harris (geboren 1902) war Decksmann auf der S.S. Mantuga die vor Neu Guinea gekapert und versenkt wurde. Im Folgenden der Abschnitt seines Tagebuches, der die Reise von Kiel nach Güstrow und seine ersten Tage im Lager beschreibt. (Der vollständige Text im englischen Original findet sich HIER.)

Am 1. März wurde uns gesagt, wir sollten uns bereit machen, am nächsten Tag um 2 Uhr morgens loszufahren, und mir wurde gesagt, dass wir unterwegs reichlich Essen bekommen würden.

Nun, wir wurden am 2. um 2.30 Uhr in eine Fähre gebracht und Oh Gott, es war so kalt!  Genug, um jemanden zu Tode zu frieren. Wir erreichten den Steg und marschierten zu einer Station mit einer Reihe von Wachposten auf jeder Seite von uns. Es war ein komisches Gefühl, meine Füße nach sieben Monaten wieder auf festem Land zu spüren, und um die Sache noch schlimmer zu machen, waren die Kopfsteinpflasterstraßen mit Eis bedeckt, und ich wäre fast auf mein Gesicht gefallen. Wir kamen am Bahnhof an und wurden zu viert aufgestellt, mit Wachposten um uns herum. Wir standen um 6 Uhr morgens immer noch am Bahnhof.  Zu diesem Zeitpunkt befanden sich dort eine ganze Menge Arbeiter, die uns anstarrten und lachten.  Die Wachposten waren die ganze Zeit damit beschäftigt  die Menge zurückzuhalten. Um 6.30 Uhr marschierten wir auf den Bahnsteig  und wurden in einen Zug der 4. Klasse gesetzt. Jeder Wagen hat drei Abteile und jedes Abteil fasste zwanzig Personen. 9 sitzend und 11 stehend. In jedem Abteil waren zwei Wachposten bei uns. Der Zug startete um 7 Uhr morgens und ich kann Ihnen sagen, dass durch ein paar zerbrochene Fenster eine schöne Brise hereinwehte. Unterwegs hielten wir die ganze Strecke über immer wieder an. Bevor wir um 15.30 Uhr etwas zu essen bekamen mussten wir fast eine Meile marschieren. Aber  es war willkommen, und ich kann Ihnen sagen, dass ich grossen Appetit hatte. Kein Essen seit 2 Uhr morgens am Tag zuvor, acht Stunden Zugfahrt durch Schneefelder und dann die Meile durch Schnee marschieren. Alles für einen Teller Hunnensuppe. Aber es hat uns ein bisschen belebt. Dann hatten wir den Marsch zurück zum Zug. Ich werde nie den Namen dieses Ortes vergessen, an dem ich meine erste Mahlzeit in Deutschland hatte. Es war ein kleiner Ort namens "Bad Kleinen". Von dort aus fuhren wir wieder durch nichts als Schneefelder, so weit das Auge reicht.  In dieser Nacht um 19 Uhr kamen wir an einem kleinen Ort namens "Fremersberg" [gemeint sein dürfte PRIEMERBURG] an. Hier verließen wir den Zug und mussten uns im kalten Wind aufstellen - auf Befehle warten und dann unsere Habe abdecken, denn es fing an zu schneien, bis ich keinen Meter weit mehr sehen konnte. Endlich bekamen wir den Marschbefehl. Wir überquerten die Eisenbahnlinie und machten uns auf den Weg zu einigen Lichtern, die ungefähr drei Kilometer entfernt waren. Mein Wort, ich werde diese Nacht nie vergessen. Dieser lange Marsch durch achtzehn Zoll Schnee, die ganze Zeit schneite es und ein eisiger Sturm wehte, abgesehen davon das wir unsere Taschen tragen mussten. Als wir das Lager erreichten, waren wir wie tot. Die Hunnen hielten uns an und ließen uns etwa eine Viertelstunde in der Kälte stehen. Dann marschierten wir ein Stück weiter bis zum nächsten Halt. Wir machten so weiter, bis wir fast am Ende des Lagers waren, und dann kam ein deutscher Offizier und fing an auf uns einzureden. Wir wären lange genug herum marschiert und würden nun den Doktor sehen. Wir mussten beim Arzt vorbei. Dann wurden wir in unsere Baracke gebracht. Einfache Holzbaracken und Holzkojen mit feuchten Stroh als Matratze. Wir bekamen dann zwei Decken pro Mann. Wenn man sie gegen das Licht hielt konnte man durch sie hindurchsehen. Und um es noch schlimmer zu machen; sie waren durch den Schnee gezogen worden und waren nun ganz nass. Wir haben dann eine Schüssel mit Skilly [schwache Brühe mit Haferflocken] bekommen, die war wirklich nichts als heißes Wasser. Aber wir waren froh über alles Heiße. Ich wollte gerade in meine Koje gehen, als ein Aussie in die Baracke kam und fragte, ob es Australier gäbe. Einige der Jungs hatten ihn zu mir geschickt. Er war ein Junge vom Mount Druit [Vorort von Sydney] namens Frank  Abbott.  Er sagte mir, ich solle am nächsten Morgen zum Frühstück in seine Baracke kommen. Ich drehte mich um, ohne mich auszuziehen, und  so schlecht das Bett auch war, ich habe durchgeschlafen.  Aber am nächsten Morgen fühlten wir uns alle krank. Jeder Mann in der Baracke hatte eine schreckliche Erkältung (die ich während meiner gesamten Zeit in Deutschland nie verloren habe). Dann marschierten die Hunnen mit uns zum Badehaus und schnitten uns die Haare so kurz wie möglich. Der Rest der Haare auf unserem Körper wurde von einer Chemikalie von blaugrauer Farbe verbrannt. Wir hatten dann ein heißes Bad. Während unsere Kleidung begast wurde, marschierten wir zurück in die Baracke. Dieses Bad hat unsere Erkältungen nicht verbessert. Nun, ich ging und aß mit Frank zu Abend.  Und ich hatte ein gutes Abendessen. Er war mit vier anderen Engländern zusammen, alles sehr nette Leute.


Weiter: Die polnische Einheit