Im 20. Jahrhundert war für Güstrow die Holzverarbeitung von grosser Bedeutung. Mehrere Unternehmen boten für die wachsende Bevölkerung der Stadt in diesem Bereich Arbeitsplätze; sowohl in den Jahren vor 1945 wie auch unter den Bedingungen der sozialistischen Produktion in den DDR-Jahren.
- H. BÖCKMANN & CO., TÜREN- UND FENSTERFABRIKEN / DEUTSCHE HOLZWERKE
Das Unternehmen wurde 1906 von Fritz Dettmann (1880-1965), Hans Böckmann und Johannes Müller (1876-1943) in der NEUEN STRASSE gegründet. Der Vater von Fritz Dettmann, Max Dettmann, hatte seit 1876 an diesem Standort ein kleines Sägewerk betrieben. Nach seiner Lehre und Ausbildung zum Kaufmann bei einem Lübecker Holzimporteur arbeitete Fritz Dettmann ab 1901 im väterlichen Unternehmen. 1905 wurde er Teilhaber und errichtete ein neues Gebäude für die Herstellung von Fenstern und Türen. Hans Böckmann hatte bereits seit 1900 in Lübeck mit aus Schweden importierten Fenstern und Türen gehandelt. Durch die Fusion der beiden Unternehmungen hoffte man nun auch grössere Aufträge übernehmen zu können. Johannes Müller war ein ehemaliger Kollege aus Dettmanns Ausbildungszeit in Lübeck. Der Beginn gestaltete sich schwierig, da zunächst ein Feuer das Hobelwerk und die alte Sägerei beschädigte. In der Folge entschied man sich für eine grundlegende Sanierung und Erweiterung des Unternehmens. Dazu kaufte man das Nachbargrundstück der Firma W. Eilmann dazu, die ebenfalls ein Sägewerk betrieb, aber zu dieser Zeit ihren neuen Firmensitz an den HEIDEWEG verlegte. Auf dem Grundstück an der NEUEN STRASSE entstand nun ein Hobelwerk mit zwei grossen vierseitigen Hobelmaschinen und ein dreistöckiges Tischlereigebäude für die Fensterfabrik; auch die Türenfabrik wurde aufgestockt. Die Firmengebäude erstreckten sich nun von dem Grundstück an der NEUEN STRASSE bis an die Gleise der Eisenbahn. Dort breitete sich das Werksgelände hinter den übrigen Grundstücken fast bis an die ROSTOCKER STRASSE hin aus. Man verfügte auch über einen eigenen Bahnanschluss.
Firma H. Böckmann & Co., um 1911
Ab März 1907 war die Produktion mit um die 200 Beschäftigten vollständig in Betrieb. Besonderes Merkmal waren schwedische Spezialmaschinen, die eine kostengünstige, industrielle Produktion ermöglichten und damals in Deutschland kaum verbreitet waren. Die Firma war mit eigenen Musterlagern und Verkaufskontoren in Hamburg und Berlin-Charlottenburg vertreten und fand dadurch vor allem für die zahlreichen Neubauten dieser schnell wachsenden Gross-Städte einen Absatzmarkt. Firmenvertretungen gab es zudem in Leipzig, Rostock, Schwerin, Wismar und Magdeburg. 1912 entstand dann ein neues Kontorgebäude in der NEUEN STRASSE 42, dessen Obergeschoss von der Familie Johannes Müller bewohnt wurde. Ab 1910 begann auf Initiative von Fritz Dettmann hin der Bau einer Arbeiter-Kleinhaus-Siedlung für seine Beschäftigten, später DETTMANNSDORF genannt. 1911 schied der Teilhaber Hans Böckmann aus dem Unternehmen aus und gründete in der ROSTOCKER STRASSE 1A die Deutschen Holzwerke. Die neue Firma konzentrierte sich auf die Produktion und den Aufbau zerlegbarer Holzhäuser und Baracken. Später kam dann noch der Bau von Gartenmöbeln und auch Wohnraummöbeln dazu. Etliche der Roheinzelteile wurden von der benachbarten alten Firma zugeliefert. Nach nach dem Tod von Hans Böckmann 1917 wurden diese Deutschen Holzwerke wiederum von Fritz Dettmann übernommen und ausgebaut, so durch den Zukauf eines Sägewerkes in KRAKOW AM SEE und durch den Aufbau einer Möbelfabrik in der NEUEN STRASSE 36-38. Mit dem Möbelbau wurde der zurückgehende Absatz bei Fenstern und Türen durch den stagnierenden Hausbau kompensiert.
1920 wurden die Unternehmungen endgültig geteilt und Johannes Müller alleiniger Inhaber von H. Böckmann & Co., Türen- und Fensterfabriken. Dieses Unternehmen fertigte später auch Baracken, für die ab 1933 offensichtlich ein grosser Bedarf bestand.
Fritz Dettmann konzentrierte sich vermehrt auf politische Aufgaben im mecklenburgischen Landtag sowie ab 1928 auf den Auf- und Ausbau zweier Holz- und Möbelfabriken in Schwerin. Er verkaufte sein Wohnhaus in der LANGEN STEGE und zog 1933 mit seiner Familie nach KRAKOW AM SEE, wo er sich nun vorwiegend der Führung seines dortigen Sägewerkes widmete. Dieses Sägewerk mit etwa 70 Mitarbeitern hatte Dettmann bereits in den 1920er Jahren als Zulieferbetrieb für seine anderen Werke übernommen. Auch in KRAKOW AM SEE entstanden in seinem Auftrag drei Kleinsiedlungshäuser an der GÜSTROWER CHAUSSEE für seine Mitarbeiter
1949 bzw. 1953 wurde Fritz Dettmanns Unternehmen Deutsche Holzwerke entschädigungslos enteignet. Er ging nach Westberlin und starb später in Düsseldorf. Ähnlich erging es auch der Firma H. Böckmann unter Johannes Müller, deren technische Einrichtungen 1948 teilweise zu Reparationszwecken demontiert wurden. Die Erben des Unternehmens wurden 1953 enteignet und flüchteten nach West-Berlin. Als einziger holzverarbeitender Betrieb an diesem Gewerbestandort wurde in den DDR Jahren der VEB Küchenmöbel etabliert, der bis zur Wende an diesem Standort existierte. Keine der historischen Industriebauten existieren heute noch in diesem Bereich. Das Wohn- u. Kontorgebäude brannte 2004 ab. Bis auf ein einzelnes Gebäude aus den DDR-Jahren wurde die gesamte Fläche beräumt und teilweise mit zwei Grossmärkten mit Parkplätzen bebaut. Andere Bereiche sind Brachland.
Anzeige Nachfolge-Betrieb, Telefonbuch Güstrow, 1959
Der Firmenkatalog für den Jahrgang 1911/12 bietet einen guten Überblick über die angeboten Fenster und Türen sowie die technischen Einrichtungen der Fabrik:
Auch von den Deutschen Holzwerken sind einige Werbeträger überliefert:
Quellen: Mecklenburg im Kriege, Schwerin 1918 / Jahrbuch Güstrow 2013, Christel Sievert: Fritz Dettmann - Leben und Werk / zusätzliche Fotografien des Sägewerks in Krakow am See: Michael Dettmann.